Bergtour mit Insulinpumpe
von Jürgen Weidner
Am Samstag hatten wir eine Bergtour geplant; das Wetter spielte mit - doch diesmal war
es etwas Neues, denn sonst musste ich meine gewohnten Insulineinheiten reduzieren, diesmal
jedoch hatte ich eine Insulinpumpe und das war etwas ganz anderes. In der Früh bestimmte
ich wie üblich meinen Blutzucker - er betrug 80 mg/dl und war damit
eine gute Basis für das geplante Unternehmen. Obwohl es das erste Mal mit
"Pumpe" war, hatte ich bereits Bergerfahrung mit der Intensivierten
Insulintherapie. Am Vortag hatten wir unser Vorhaben in allen Details mit dem Arzt
besprochen und brachen nun tatendurstig zu fünft auf. Nach einer Stunde Fahrt erreichten
wir unseren Ausgangspunkt - den Fuß der Steinernen Rinne, wo es darin hinaufgeht zur
Hinteren Goinger Halt. Die Sonne ging gerade hinter den Berggipfeln auf, und mit dieser
Aussicht machten wir zuerst einmal Frühstück, nachdem wir nüchtern gestartet waren, und
die Mahlzeit in enge zeitliche Nähe zum Anstieg zu bringen.
Meine "BE" glich ich heute mit weniger Insulinbolus ab
als sonst, da mir ja bekannt ist, wie stark ich auf ungewohnte Aktivität reagiere. Bevor
es dann zum Aufstieg ging, halbierten mein Freund Jörg - ebenfalls Pumpenträger - und
ich unsere Basalraten. Nun zogen wir los - Testmaterial,
Traubenzucker, Brotzeit, Zusatz-BE und warme Kleidung sowie Regenschutz im Rucksack.
Nachdem wir schon eine Stunde aufgestiegen waren, war die Aussicht schon jetzt
wunderschön. Nebelschwaden lagen über Wiesen und kleinen Baumgruppen und oben strahlte
der Gipfel im rotgoldenen Sonnenschein. Gegen 10:00 Uhr machten wir unsere erste Rast,
zogen uns wärmer an, und führten eine Blutzuckerbestimmung durch. Da mein Blutzucker auf
40-50 mg/dl gefallen war, korrigierte ich mit 2,5 BE Traubenzucker und aß noch die
eingeplanten 2 BE Wurstbrot aus dem Rucksack. Bald ging es weiter, der Weg wurde immer
steiler und felsiger, sodass wir an dem Stahlseil, das im Fels befestigt war, gehen
mussten. Wir zwängten uns zwischen Felsspalten aufwärts, immer den weit entfernten
Gipfel im Blick. Einige kurze Pausen mussten wegen leichter Unterzuckerungen eingelegt
werden, weil der Anstieg doch steiler war, als eingeplant. Aber Sicherheit geht beim
Diabetes nun mal vor Rekordleistungen. Der Weg führte uns an Schneefeldern vorbei, über
Geröllfelder, und riesige Felsbrocken versperrten uns den Weg. Mein Freund und ich
erreichten als erste die Hintere Goinger Halt, die 2.195 über dem Meer liegt. Wir hatten
es uns in einem windgeschützten Winkel der Felsen "gemütlich" gemacht, bis uns
die anderen eingeholt hatten. Obwohl der Wind hier schon ganz schön heftig wehte,
beschlossen wir, hier Mittagsrast zu machen, da es schon 12:30 Uhr war. Wieder das
bekannte Testritual, mit dem Ergebnis 70 mg/dl Blutzucker. Heute hatten wir uns
Wurstsemmeln, Essiggurken und Landjäger eingepackt, und wir hatten nach dein
beschwerlichen Anstieg auch keinen schlechten Appetit, den Geräuschen nach schmeckte es
jedem hervorragend. Die Sonne im Gesicht und den Wind im Genick genossen wir den
Augenblick - sodass auch die Nörgler ihre Kommentare vergaßen. Aber das Ziel war noch
nicht ganz erreicht, eine gute halbe Stunde Steilstück am Seil lag noch vor uns. Die zwei
kleineren Bergsteiger unserer Gruppe trauten sich nun nicht weiter zu gehen, da sie
unsicher und müde waren. Jörg und ich konnten jedoch noch nicht aufgeben - nicht so kurz
vor dem Ziel.
Im "Alleingang" bezwungen wir die letzten Höhenmeter und trugen uns ins
Gipfelbuch ein. Das überragende Panorama lohnte jede Mühe des Anstiegs, und wir konnten
uns noch schwer zum Abstieg entschließen, da die anderen schon vorausgegangen waren.
Kurze Zeit später erreichten wir den Rest der Gruppe, die in einer kleinen Felswand
gewartet hatte. Der Rückweg kam uns doppelt so lange vor wie der Aufstieg, aber nach
etlichen "wie lange noch" und "sind wir bald da" sowie einer
zwangsweise eingelegten Zwischenmahlzeitsrast erreichten wir schließlich wieder unser
Auto.
Zum letzten Mal blickten wir mit, etwas Wehmut zu "unserem" Gipfel zurück,
um daraufhin wieder ins Jugendhaus zurückzufahren. Sieben Stunden hatte unsere heutige
Bergtour gedauert, und wir waren alle ganz schön fertig. Wir aßen noch zu Abend, (mit
Zusatz-BE-Portion wegen der blutzuckersenkenden Nachwirkung dieser anstrengenden Tour).
Jörg und ich stellten vor dem Schlafengehen unsere Basalrate auf normale Höhe zurück.
Mein Blutzuckertest um Mitternacht lag bei 90 mg/dI, und die Sportnachwirkung machte sich
noch bis in den nächsten Tag bemerkbar. Es war ein wunderschöner Tag gewesen, mit
überwältigenden Eindrücken aus dem Kaisergebirge und mit ganz neuen Erfahrungen in der
Insulinpumpentherapie.
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